fit und munter - Geht Studieren auf die Nerven? Arzneimittelvolumen in vier Jahren plus 54 Prozen

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Geht Studieren auf die Nerven? Arzneimittelvolumen in vier Jahren plus 54 Prozen


Liegen an den Universitäten die Nerven blank? Das
könnte man zumindest bei näherer Betrachtung der
Arzneimittelverordnungen für Studierende in Deutschland vermuten.
Nach Angaben des aktuellen Gesundheitsreports der Techniker
Krankenkasse (TK) entfällt der größte Anteil der an Hochschüler
verschriebenen Medikamente auf Präparate zur Behandlung des
Nervensystems. Allein in den letzten vier Jahren verzeichnete die TK
in dieser Arzneimittelgruppe einen Anstieg des Volumens von 54
Prozent.

Statistisch gesehen erhielt jeder Studierende 2010 insgesamt für
65 Tage Medikamente. Damit liegt das Verordnungsvolumen zwar unter
dem ihrer erwerbstätigen Altersgenossen mit 72 Tagesdosen. Auffällig
ist jedoch, dass Psychopharmaka und Co. bei den Hochschülern über ein
Fünftel aller verschriebenen Medikamente ausmachen. Bei den
gleichaltrigen Beschäftigten entfallen "nur" knapp 14 Prozent der
Arzneien auf diese Gruppe, die aber auch hier inzwischen den größten
Anteil ausmacht.

Professor Dr. Norbert Klusen, Vorsitzender des TK-Vorstandes: "Die
Krankenkassen werten für ihre Gesundheitsberichterstattung
üblicherweise vor allem die Krankschreibungen aus, die jedoch nur für
sozialversicherungspflichtig Beschäftigte und ALG-I-Empfänger erhoben
werden. Daher wird über die gesundheitliche Situation der Hochschüler
wenig gesprochen. Wir haben hier zum zweiten Mal nach 2008 die
Rezepte der bei uns versicherten Studierenden ausgewertet und
betrachten mit Sorge das auffällig hohe Volumen bei den
Psychopharmaka."

Nicht nur das Arzneimittelvolumen, sondern auch der Anteil der
medikamentös behandelten Studierenden ist gestiegen. "Eine erhebliche
Zunahme gibt es hier insbesondere bei Medikamenten zur Behandlung von
Depressionen. Der mit Antidepressiva behandelte Anteil der
Studierenden stieg seit 2006 um mehr als 40 Prozent", erklärt Dr.
Thomas Grobe vom Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und
Gesundheitssystemforschung in Hannover (ISEG), der die Daten für die
TK ausgewertet hat.

Neben den Arzneimitteldaten hat die TK auch die Diagnosedaten von
135.000 bei der TK eigenständig versicherten Studierenden
ausgewertet.

Sie zeigen, dass Studierende zwar deutlich mehr Psychopharmaka
verordnet bekommen als ihre erwerbstätigen Altersgenossen, in beiden
Gruppen wurden aber insgesamt etwa gleich häufig psychische Störungen
diagnostiziert. Bei knapp 30 Prozent der jungen Frauen zwischen 20
und 34 Jahren wurde mindestens einmal eine psychische Diagnose
gestellt, junge Männer waren mit einem Anteil von 13,4 Prozent bei
den Studenten und 12,5 Prozent bei den Beschäftigten deutlich weniger
betroffen. Klusen dazu: "Wenn drei von zehn jungen Frauen im Jahr
eine psychische Diagnose gestellt bekommen, muss man sich nicht nur
über die Zunahme psychischer Störungen Gedanken machen, sondern auch
darüber, wo die Grenze zwischen gesund und krank gezogen wird und ob
es hier auch ein Etikettierungsproblem gibt."

Nach Angaben der TK erhalten mittlerweile gut fünf Prozent der
Studentinnen und knapp drei Prozent der Studenten Antidepressiva. In
einem Hörsaal mit 400 Plätzen, der von beiden Geschlechtern
gleichermaßen besucht wird, bekommen also 16 Hochschüler regelmäßig
Antidepressiva, 44 Prozent mehr als im Jahr 2006. "Steigen die
Antidepressiva-Verordnungen in diesem Maße weiter, bekommen
spätestens im Jahr 2046 alle Vorlesungsteilnehmer ein
Antidepressiva-Rezept", so Klusen.

Dabei nehmen die Diagnosen psychischer Störungen bei Studierenden
mit steigendem Alter erheblich stärker zu als bei Berufstätigen:
Während die Diagnoseraten bei angehenden Akademikern zwischen 20 und
25 sogar leicht unter denen gleichaltriger Beschäftigter liegen,
kehrt sich das Verhältnis ab dem 27. Lebensjahr um. Von den
30-jährigen Hochschülern wurde für 17 Prozent der Männer und 36
Prozent der Frauen mindestens einmal eine psychische Diagnose
gestellt. "Dies könnte damit zusammenhängen, dass mit steigendem
Alter der Druck steigt, das Studium zu beenden. Zudem ist in dieser
Altersgruppe der Anteil Studierender, die durch Jobs und Familie
mehrfach belastet sind, größer", vermutet Heiko Schulz,
Diplom-Psychologe bei der TK.

Die psychische Gesundheit der Studierenden und jungen
Beschäftigten ist laut TK regional sehr unterschiedlich belastet. Im
Hinblick auf Depressionen besteht sowohl ein West-Ost-Gefälle, das
heißt junge Menschen in den neuen Ländern sind deutlich seltener von
der Diagnose Depression betroffen, als auch ein Stadt-Land-Gefälle,
da die Stadtstaaten Hamburg, Berlin und Bremen überdurchschnittlich
hohe Diagnoseraten aufweisen. Verhältnismäßig geringe
Verordnungsraten an Antidepressiva in den Stadtstaaten dürften mit
der guten Erreichbarkeit von Psychotherapeuten zusammenhängen.
"Insgesamt lässt sich über fast alle Länder hinweg beobachten: Je
größer das psychotherapeutische Angebot vor Ort, desto größer sind
auch die Behandlungsraten", so Dr. Grobe. "Lediglich in Sachsen
steigt die Inanspruchnahme der Therapie überdurchschnittlich im
Vergleich zum Behandlungsangebot."

Hinweis für die Redaktionen:

Für die Sonderauswertung zur Gesundheit von Studierenden hat die
TK die Arzneimittelverordnungen der Studierenden zwischen 20 und 35
Jahren mit eigener TK-Mitgliedschaft analysiert. Da Studierende im
Rahmen der Familienversicherung bis zum 25. Lebensjahr bei den Eltern
und ohne Altersbegrenzung bei den Ehepartnern mitversichert sind,
erfasst die TK-Studie nur die Studierenden mit eigener
Mitgliedschaft. Die Daten der insgesamt 135.000 TK-versicherten
Studierenden wurden jedoch geschlechts- und altersstandardisiert. Das
Durchschnittsalter in den Vergleichsgruppen liegt bei 26,8 Jahren.
Neben den Arzneimitteldaten analysierte die TK auch ambulante
Diagnosedaten. Da diese erst zeitverzögert an die Krankenkasse
übermittelt werden, beziehen sich diese Daten auf das Jahr 2009.

Weitere Informationen, Pressefotos und Infografiken rund um den
Gesundheitsreport 2011 enthält die Juli-Ausgabe des TK-Medienservice
"So krank ist Deutschland" unter http://www.presse.tk.de .



Für Rückfragen:
Michaela Hombrecher
TK-Pressestelle
Tel.: 040-6909-2223
E-Mail: michaela.hombrecher@tk.de
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