fit und munter - In jedem steckt ein Maler: Immer mehr Menschen greifen zu Pinsel und Stiften

fit und munter

In jedem steckt ein Maler: Immer mehr Menschen greifen zu Pinsel und Stiften

Von Alexander Hauk

Forstinning/Bonn/München (aha). „Jeder ist ein Künstler“ lautet ein berühmtes Zitat von Joseph Beuys (1921-1986): Tatsächlich entdecken immer mehr Menschen ihre künstlerische Ader und greifen zu Pinsel, Stiften und Kreiden. Nach Angaben des Deutschen Volkshochschul-Verbands in Bonn nehmen bundesweit jährlich rund 200.000 Menschen an den Mal- und Zeichenkursen der Volkshochschulen teil. In ganz Deutschland eröffnen Malschulen. Den Trend zum Zeichnen und Malen bestätigt auch der Handel für Künstlerfachbedarf: „Im Vergleich zum Vorjahr haben wir in diesem Jahr 20 Prozent mehr Einsteigersets verkauft“, berichtet Stephan Nitzl, Einkaufsleiter der Boesner GmbH in Forstinning nahe München. Das Unternehmen mit insgesamt 30 Filialen gilt als führender Anbieter von Künstlerbedarf.
Prominente wie der Musiker Udo Lindenberg, Schauspieler Armin Mueller-Stahl, Fußball-Manager Dieter Hoeneß und sogar Prinz Charles haben das Zeichnen und Malen schon lange für sich entdeckt. Auch Erotikstar Dolly Buster schwingt den Pinsel und besucht seit einem Jahr die Kunstakademie in Düsseldorf. Nun zieht auch Otto-Normalbürger nach. „Wir haben außergewöhnlich viele Neuanmeldungen für unsere Kurse“, berichtet Nitzl. Für die derzeitige Mal- und Zeicheneuphorie gebe es viele Gründe: „Eine erste Verkaufswelle hat der Fernsehmalkurs von und mit Bob Ross ausgelöst.“ In insgesamt 416 Folgen präsentiert Ross auf immer gleiche Weise seine Maltechnik mit ruhiger, sanfter Stimme und motiviert seine Zuschauer, selber zum Pinsel zu greifen. Mitunter werden Menschen auch selbst zum Maler, weil sie Kunst als immer teurer und immer unverständlicher empfinden.

Einsteigersets ab 20 Euro

Im Vordergrund stehen bei den Hobbykünstlern der Spaß und die Entspannung beim Malen und Zeichnen. „Viele unserer Kunden hängen sich ihre Bilder bei sich zu Hause an die Wände“, so Nitzl. Dabei entstünden oft Kunstwerke, die zum Raum, zur Einrichtung und zum Charakter des Malers passen. „Viele malen auch, um jemandem ein persönliches Geschenk machen zu können, zum Geburtstag zum Beispiel oder zu Weihnachten“, so Nitzl. Dabei muss die Kunst nach Maß gar nicht teuer sein. Einsteigersets gibt es bereits ab 20 Euro. Darin enthalten sind eine Leinwand, Pinsel, Acrylfarben und eine Palette. Ein Luxus-Einsteigerset mit Staffelei kostet bis 200 Euro.

Den Trend zum Malen ohne Ambition auf Ruhm und Geld bestätigt auch Monika Steiger, Vorsitzende des Kunstvereins Erding mit 180 Mitgliedern: „Unsere Mitgliederzahlen sind in den vergangenen Jahren zwar nicht gestiegen. Vor allem deshalb, weil junge Künstler nicht in einen Verein wollen, sondern lieber für sich malen.“ Für den 25 Jahre alten Markus Hirner ist Malen eine Form des Ausdrucks: „Ich habe noch nie eine Malschule oder dergleichen besucht, weil das meiner grundsätzlichen Einstellung zu Kunst widerspricht.“ Im Alter von fünf Jahren hat der Erdinger angefangen zu malen. Sein Lieblingsmotiv sind Menschen. Jedes Jahr entstehen rund 50 neue Bilder, die er bei sich zu Hause sammelt. Einige Bilder würde der junge Künstler gerne verkaufen, aber nicht alle: „Bilder mit persönlichen Motiven sind unverkäuflich.“

Malen und Zeichnen als Entspannungstherapie und zur Krisenbewältigung

Dass die Auseinandersetzung mit Leinwand, Pinsel und Farbe durchaus entspannend sein kann, belegen mehrere wissenschaftliche Studien. Das Bezirkskrankenhaus Kaufbeuren ist eine von zahlreichen Einrichtungen, in der das Malen und Zeichnen zum therapeutischen Angebot gehört. Von Montag bis Freitag von 9 bis 16 Uhr können Patienten in einem Atelier mit Acrylfarben, Wasserfarben, Wachsstiften und Graphit an ihren Kunstwerken arbeiten. „Wir haben mit dieser Therapieform sehr gute Erfahrungen gemacht“, sagt Kunsttherapeut Ingolf Kirsch. Einige Bilder schaffen es sogar bis in Ausstellungen.

Seine Patienten malen überwiegend Selbstdarstellungen in bestimmten Krisensituationen. Für rund Zweidrittel von ihnen sei das entlastend. Seit 1990 hat Kirsch mehr als 2000 Patienten betreut. Oft käme durch die künstlerische Auseinandersetzung Überraschendes heraus: „Jeder sollte sich gestatten, ohne Ansprüche vor sich hinzukritzeln, Farbe zu kleckern und auf spielerische Art und Weise Skizzen anzufertigen, wie man sie beispielsweise beim Telefonieren macht“, motiviert Kirsch.

Bei Regenwetter steigt die Nachfrage

Zum Ende des Jahres haben Fachgeschäfte für Künstlerbedarf, wie Boesner, ihre Lager sogar noch einmal aufgefüllt: „Nach den Sommerferien bis Weihnachten ist die Nachfrage besonders hoch“, sagt Einkaufsleiter Stephan Nitzl. Zum einen, weil das Wetter nicht mehr so gut sei, zum anderen, weil viele Menschen mit einem selbst gemalten Bild zu Weihnachten etwas Persönliches schenken wollen. „Jetzt ist genau die richtige Zeit, um mit dem Malen anzufangen“, so Nitzl.
Login
Einstellungen

Druckbare Version

Artikel Bewertung
Ergebnis: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich die Zeit und bewerten diesen Artikel
Excellent
Sehr gut
Gut
Okay
Schlecht

Verwandte Links
Linkempfehlung

Diesen Artikel weiter empfehlen: