Im Rahmen der diesjährigen Deutschen Mukoviszidose Tagung stellte
der medizinische Leiter des Deutschen Mukoviszidose-Registers, PD Dr.
med. Lutz Nährlich, die aktuellen Ergebnisse zur Mortalität bei
Mukoviszidose vor. Damit sind erstmals Aussagen über die
Lebenserwartung für heute Neugeborene mit Mukoviszidose in
Deutschland möglich.
Bei der Diagnose einer chronischen Erkrankung ist die Frage nach
der Lebenserwartung für Betroffene und Angehörige oft ein bewegendes
und zentrales Thema. Dass Mukoviszidose aufgrund der Fortschritte in
der Medizin keine reine Kinderkrankheit mehr ist, ist schon seit
einigen Jahren offensichtlich. Nun ist es jedoch erstmals möglich,
aufgrund der Datenbasis des Deutschen Mukoviszidose-Registers sowie
international akzeptierter und vergleichbarer Analyseverfahren
konkrete Kennwerte für die Lebenszeit, das mittlere Überlebensalter
und die Lebenserwartung vorzustellen. Basis dieser Berechnungen, die
im aktuellen Jahresberichtsband 2017 aus dem Register veröffentlicht
werden, ist der Zeitraum 2012 bis 2016.
Lebenserwartung: für heute Neugeborene mit Mukoviszidose bei 50
Jahren
Die Lebenserwartung ist die im Durchschnitt zu erwartende Zeit,
die einem Menschen ab einem bestimmten Alter bis zum Tod verbleibt.
Sie wird für einen festgelegten Zeitraum berechnet und beruht auf
aktuellen und altersspezifischen Todesraten. Die Lebenserwartung ist
daher für jedes Lebensalter unterschiedlich und entspricht nicht dem
mittleren Überlebensalter.
Die Lebenserwartung eines heute geborenen Menschen mit
Mukoviszidose in Deutschland liegt bei 50 Jahren. Zum Vergleich:
Aktuell beträgt die Lebenserwartung eines gesunden männlichen
Neugeborenen in Deutschland 78 Jahre, die eines weiblichen
Neugeborenen 83 Jahre (www.statista.de). Alle aktuellen Kennwerte zur
Lebenserwartung bei Mukoviszidose-Patienten beziehen sich auf die
individuell sehr unterschiedliche Gesamtheit der Patienten in
Deutschland. Sie lassen daher nur eingeschränkt Rückschlüsse auf den
Einzelnen zu. Wichtige Einflussfaktoren sind laut Literatur u.a. das
Geschlecht, die vorliegende Genmutation und die exokrine
Pankreasfunktion. Allen Berechnungen liegt die aktuelle Rate an
Todesfällen zugrunde, die sich in der Vergangenheit stetig verringert
hat.
Im Berichtsjahr 2017 wurden 48 Todesfälle von Menschen mit
Mukoviszidose (25 Mädchen/Frauen und 23 Jungen/Männer) in das
Deutsche Mukoviszidose-Register dokumentiert. Haupttodesursachen
stellten kardiopulmonale (75,0%) und maligne Erkrankungen (4,2%) dar.
In jeweils 8,3% der Fälle lagen andere bzw. unbekannte Ursachen vor.
Die Mehrheit der Patienten ist im jungen Erwachsenenalter verstorben
- 42% im Alter von 18 bis 29 Jahren (2015: 40%, 2016: 37%) und 29% im
Alter von 30 bis 39 Jahren (2015: 36%, 2016: 32%).
Mittleres Überlebensalter
Das mittlere Überlebensalter ist definiert als der Medianwert der
Überlebenszeit von Patienten mit einer bestimmten Erkrankung, also
das erwartete Alter, in dem nur noch 50 Prozent der Patienten leben.
Um Schwankungen durch die jährlich unterschiedliche Zahl der
Todesfälle auszugleichen, wird nach Sykes (Journal of Clinical
Epidemiology 2016;70:206) eine COX PH Regressionsanalyse in einem
Fünf-Jahres-Zeitraum durchgeführt. Im Fünf-Jahres-Zeitfenster von
2012 bis 2016 wurden im Deutschen Mukoviszidose-Register 7.181
Menschen mit Mukoviszidose (inkl. transplantierter Patienten) und 423
Todesfälle erfasst. Der Anteil der aus der Nachbeobachtung verlorenen
Patienten betrug 71 (1%). Das mittlere Überleben beträgt damit für
die genannte Zeitspanne 47,5 Jahre (Konfidenzintervall: 44,8 bis 49,7
Jahre).
Im Vergleich hierzu lag das mittlere Überlebensalter für
Mukoviszidose-Patienten im selben Zeitraum und mit vergleichbarer
Methode berechnet in den USA bei 42,7 Jahren, in Großbritannien bei
47,0 Jahren und in Kanada bei 53,3 Jahren.
Bedeutung der aktuellen Kennzahlen
Zunächst einmal sind die aktuellen Kennzahlen eine sehr
erfreuliche Nachricht für alle Mukoviszidose-Patienten und ihre
Angehörigen, zeigen sie doch, dass die Betroffenen aufgrund der
Fortschritte in der Therapie die Chance haben, ein mittleres
Erwachsenenalter zu erreichen. Die Tatsache, dass
Mukoviszidose-Patienten immer älter werden, birgt jedoch auch eine
Herausforderung: die therapeutischen Versorgungsstrukturen sind
vielerorts noch darauf ausgerichtet, dass Mukoviszidose eine
Kinderkrankheit ist. Hier ist dringende Weiterentwicklung nötig, um
die zunehmende Zahl erwachsener Mukoviszidose-Patienten auch künftig
angemessen versorgen zu können.
Eine gerechtere Versorgung für Menschen mit seltenen Erkrankungen
fordert auch der Deutsche Ethikrat in seiner heute veröffentlichten
Ad-hoc-Empfehlung: Zu den geforderten Maßnahmen gehören eine bessere
Aus- und Weiterbildung von Ärzten und Pflegekräften in Bezug auf
Diagnose und Behandlung seltener Erkrankungen, den bundesweiten
Aufbau zertifizierter Zentren für seltene Erkrankungen sowie die
Stärkung von Selbsthilfe- und Patientenorganisationen. Die
Ad-hoc-Empfehlung des Ethikrats ist nachzulesen unter:
https://www.ethikrat.org/mitteilungen/
Weitere Informationen im Berichtsband 2017 aus dem Deutschen
Mukoviszidose-Register auf unserer Internetseite:
http://ots.de/qoOxYF
Hintergrund-Informationen
Über das Deutsche Mukoviszidose-Register Das Deutsche
Mukoviszidose-Register wurde vom Mukoviszidose e.V. im Jahr 1995
gestartet, mit dem Ziel, medizinische Daten der
Mukoviszidose-Patienten in Deutschland anonymisiert zu dokumentieren
und auszuwerten. Die Daten im Register dienen dazu, die
Versorgungssituation von Patienten mit Mukoviszidose in Deutschland
zu erfassen, zu analysieren und zu verbessern, und sie bilden die
Grundlage für Versorgungsforschung, Therapieentwicklung und die
interne Qualitätssicherung der teilnehmenden
Mukoviszidose-Ambulanzen. Einmal im Jahr werden die Registerdaten in
je einem Berichtsband für Patienten und Therapeuten aufbereitet und
transparent dargestellt. Seit 2004 besteht darüber hinaus eine
Kooperation mit dem europäischen Patientenregister der European
Cystic Fibrosis Society (ECFS). Anonymisierte Daten werden einmal
jährlich an das europäische CF-Register übermittelt und ausgewertet.
Über Mukoviszidose
In Deutschland sind bis zu 8.000 Kinder, Jugendliche und
Erwachsene von der unheilbaren Erbkrankheit Mukoviszidose betroffen.
Durch eine Störung des Salz- und Wasserhaushalts im Körper bildet
sich bei Mukoviszidose-Betroffenen ein zähflüssiges Sekret, das
Organe wie die Lunge und die Bauchspeicheldrüse irreparabel schädigt.
Jedes Jahr werden in Deutschland etwa 150 bis 200 Kinder mit der
seltenen Krankheit geboren.
Über den Mukoviszidose e.V.
Der Mukoviszidose e.V. vernetzt die Patienten, ihre Angehörigen,
Ärzte, Therapeuten und Forscher. Er bündelt unterschiedliche
Erfahrungen, Kompetenzen sowie Perspektiven mit dem Ziel, jedem
Betroffenen ein möglichst selbstbestimmtes Leben mit Mukoviszidose
ermöglichen zu können. Damit die gemeinsamen Aufgaben und Ziele
erreicht werden, ist der gemeinnützige Verein auf die Unterstützung
engagierter Spender und Förderer angewiesen. Die Mukoviszidose
Institut gGmbH ist eine hundertprozentige Tochter des Mukoviszidose
e.V.
Pressekontakt:
Mukoviszidose e.V.
Carola Wetzstein
Telefon: +49 (0)228 9 87 80-22
Mobil: +49 (0)171 9582 382
E-Mail: CWetzstein@muko.info
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