fit und munter - UN-Sonderberichterstatter im "stern": "Wir stecken mitten in einer dramatischen Nahrungsmittelkrise" / Forderung nach Auszeit für Produktion von Biospirt

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UN-Sonderberichterstatter im "stern": "Wir stecken mitten in einer dramatischen Nahrungsmittelkrise" / Forderung nach Auszeit für Produktion von Biospirt


Dürren in den USA, Missernten in Argentinien,
vielleicht bald auch in wichtigen Reisexportländern Asiens -
Grundnahrungsmittel werden knapp, die Preise explodieren. Die Welt
erlebt zum dritten Mal innerhalb weniger Jahre eine dramatische
Nahrungsmittelkrise. "Wir sind schon mittendrin. Jetzt stellt sich
nur noch die Frage, wie schlimm es wirklich wird", sagt Olivier De
Schutter, Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für das Recht
auf Nahrung, in der neuen, am Donnerstag erscheinenden Ausgabe des
Hamburger Magazins "stern".

Schon die beiden Nahrungsmittelkrisen in den vergangenen Jahren
hätten 110 Millionen Menschen in extreme Armut gestürzt. "Die hohen
Preise bedrohen die globale Sicherheit und Stabilität. Vor Ort, in
den armen Ländern, sind die Preise für Nahrungsmittel seit Ende 2008
nicht mehr gesunken. Die Menschen haben alle Ressourcen aufgebraucht.
Wenn jetzt - wie zu erwarten - die Preise weiter steigen, wird es für
Millionen Menschen dramatische Folgen haben." Schon in den
vergangenen Jahren war es nach Preisanstiegen für Nahrungsmittel zu
Revolten und "Hungeraufständen" in vielen Ländern gekommen, darunter
Tunesien und Ägypten.

Entscheidend zu den momentanen Preisanstiegen trage die Produktion
von Biokraftstoffen bei. So würden allein 40 Prozent der US-Maisernte
zu Bioethanol verarbeitet. "Sowohl die USA als auch die EU sollten
daher sofort ein Moratorium auf die Politik der erneuerbaren Energien
im Transportbereich erklären", fordert De Schutter im "stern". "Es
ginge um eine Art Auszeit sowohl für die Produktion als auch den
Verbrauch von Biokraftstoffen. Die USA und die EU sollten jetzt
unbedingt vorangehen. Ein solches Moratorium wäre ein starkes Signal
an die Märkte. Es würde sofort wirken. Die Preise würden quasi über
Nacht sinken."

Aber auch die exzessive Spekulation im Agrarbereich lässt die
Preise steigen, so De Schutter. Investmentbanken wie Goldman Sachs,
aber auch Versicherungen sollen in den vergangenen Jahren mehrere
hundert Milliarden Dollar in entsprechende Warentermingeschäfte
investiert haben. "Wir beobachten die Bildung einer riesigen
Spekulationsblase", so De Schutter. "Die gigantischen Wetten auf
künftige Ernten wirken wie eine sich selbst erfüllende Prophezeiung:
Hohe Preise führen zu noch höheren Preisen."

Der UN-Sonderberichterstatter kritisiert im "stern" auch fehlende
Kontrollen: "In Europa ist bislang so gut wie gar nichts passiert.
Die sehr mächtige Lobby der Finanzindustrie, vor allem in
Großbritannien, hat bislang jede echte Reform in diesem Bereich
blockiert. Und Politiker wollten sich bislang nicht unbedingt mit dem
komplizierten Thema beschäftigen."

In den vergangenen Monaten waren auch deutsche Banken wegen
möglicher Spekulation mit Nahrungsmitteln in die Kritik geraten,
darunter auch die Deutsche Bank und die Allianz-Versicherung. Einige
Banken hatten ihren Rückzug aus entsprechenden Warentermingeschäften
erklärt. Die Deutsche Bank und die Allianz zweifeln einen direkten
Zusammenhang an.



Pressekontakt:
Gruner+Jahr, stern
Katja Gloger
gloger.katja@stern.de
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