fit und munter - Mini-Strahlentherapie gegen altersbedingte Makuladegeneration (AMD)

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Mini-Strahlentherapie gegen altersbedingte Makuladegeneration (AMD)

Strahlenstift stoppt Altersblindheit

Diese Krankheit fürchten alle älteren Menschen: Die Zerstörung der Netzhaut durch die altersbedingte Makuladegeneration (AMD). Sie bedroht nicht nur das Sehvermögen, sondern auch die Selbständigkeit und damit die gesamte Lebensqualität der Senioren. Rund 3,5 Millionen Menschen sind allein in Deutschland bereits davon betroffen.
Bei der Altersblindheit AMD unterscheidet man zwei Verlaufsformen: Die trockene und die feuchte Form. Während es gegen die trockene Form noch keine wirksame Behandlung gibt, hat die moderne Augenheilkunde gegen die zwar seltenere, dafür aber aggressivere feuchte Form schon mehrere Therapien entwickelt. Hier kommen Laser und Medikamente zum Einsatz. Doch die Wärmeenergie des Lasers kann auch gesundes Netzhautgewebe schädigen und die Medikamente müssen im Abstand von nur wenigen Wochen häufig unter sterilen Bedingungen im Augen-OP im Rahmen einer mikrochirurgischen Operation in das Auge eingegeben werden.

Doch jetzt wird auf dem 23. Kongress der Deutschen Augenchirurgen (DOC), der vom 21. bis 24. Oktober in Hamburg stattfindet, eine ganz neue Behandlungsmethode vorgestellt, die viele Nachteile vermeidet: Die Bestrahlung von innen.

„Bei einem kleinen operativen Eingriff führt der Augenchirurg eine nur 0,9 Millimeter dünne Kanüle in das betäubte Auge ein“, erklärt Augenarzt und Kongresspräsident Dr. Armin Scharrer (Fürth). „Durch diese Kanüle schiebt er einen hauchdünnen Strahlenstift bis knapp über die Netzhaut. Dieser Stift ist an eine Strontium-90-Strahlenquelle angeschlossen und gibt eine radioaktive Beta-Strahlung mit einer Dosis von 24 Gray ab, die jedoch nur vier Millimeter tief in das erkrankte Gewebe eindringen kann und so die gesunden Netzhautanteile schont.“

Dadurch werden die bei feuchter Makuladegeneration wuchernden Endothel-, Bindegewebs- und Entzündungszellen zerstört, ohne das umliegende Gewebe zu schädigen. Dr. Scharrer: „In klinischen Studien mit bisher fast 500 auf diese Weise behandelten Patienten wurden bisher nur sehr gute Erfahrungen gemacht. Viele der Betroffenen konnten ihre Sehkraft danach stabilisieren oder sogar verbessern.“

Außerdem brauchten die Patienten, die im Rahmen dieser klinischen Studien behandelt wurden, nach der einmaligen Strahlentherapie im Durchschnitt deutlich weniger operative Eingaben der sonst üblichen Antikörpermedikamente. Das bedeutet für sie einen enormen Gewinn an Lebensqualität. Denn diese Patienten hätten ohne die Bestrahlung von innen pro Jahr zwischen sechs und zwölf operative Eingaben eines VEGF-Hemmers benötigt.
Die altersbedingte Makuladegeneration AMD gehört zu den größten Sehproblemen älterer Menschen. Die Sinneszellen der Netzhaut verlieren durch die immer weiter fortschreitende Schädigung am Punkt des schärfsten Sehens, der Makula, nach und nach ihre Funktion. Damit ist AMD zur Hauptursache für eine Erblindung bei Menschen über 55 Jahren geworden.

Als Ursache gelten neben einem fortgeschrittenen Alter das Rauchen, genetische Veranlagung und Bluthochdruck. Raucher tragen im Vergleich zu Nichtrauchern ein etwa doppelt so hohes Risiko.

Die epidemiologischen Zahlen sind erschreckend: Rund 3,5 Millionen Deutsche leiden an AMD. Bei den unter 65jährigen sind fünf Prozent betroffen, bei den über 75jährigen sind es bereits 25 Prozent. Etwa bei jedem zehnten Patient geht die trockene Form der AMD in die wesentlich aggressivere feuchte Form über. In Deutschland sind das derzeit ca. 500.000 Patienten. Jährlich werden rund 60.000 neue Fälle diagnostiziert.

Bei der trockenen Form der AMD wird die Netzhaut geschädigt, weil der Abtransport von Abfallstoffen gestört ist. Die Stoffwechselprodukte lagern sich stattdessen in die Netzhaut ein und schädigen die Sehzellen. Der Krankheitsverlauf kann sich über viele Jahre erstrecken und muss nicht immer zu einer drastischen Sehbehinderung führen. Die trockene Form verursacht aber nur fünf bis zehn Prozent der Erblindungen. Noch gibt es keine wirksamen Behandlungsmöglichkeiten für diese Form der AMD.

Bei der feuchten Form der AMD wachsen innerhalb der Makula krankhafte kleine Blutgefäße von der Aderhaut in die Netzhaut. Die Makula ist der Punkt des schärfsten Sehens und damit der wichtigste Teil der Netzhaut. Dieser Punkt befindet sich neben dem Sehnervenkopf etwa in der Mitte der Netzhaut und ist nur fünf Millimeter groß. Dort herrscht jedoch die größte Dichte an Sehzellen. Diese Zellen funktionieren nicht mehr, weil die neu gewachsenen Gefäße undicht sind. Das wiederum führt u. a. zu Einblutungen, Flüssigkeitsansammlungen, Fettablagerungen und später zur Bildung von Narbengewebe.

Dadurch können die Sehzellen nichts mehr abbilden. Und das ausgerechnet an der kleinen Stelle, auf die alles projiziert wird, was wir scharf sehen. Die übrige Netzhaut bildet dagegen nur unscharf die Umgebung dessen ab, was die Augen fixieren.

Wenn nun aber durch AMD die Sehzellen absterben, die die schärfsten Bilder liefern, entsteht mitten im Gesichtsfeld ein blinder, dunkler Fleck. Nur noch das äußere Gesichtsfeld bleibt erkennbar. In der Mitte kann man nichts mehr sehen. Man blickt auf eine Uhr, erkennt aber nur noch ihren Rand und nicht mehr das Zifferblatt. Man erkennt nur noch die Umrisse einer Person, aber nicht mehr ihr Gesicht. Lesen oder Fernsehen werden zum großen Problem. Das Überqueren einer Straße oder Autofahren ist sogar lebensgefährlich.

Frühsymptom einer Makuladegeneration ist meist ein verzerrtes und verschwommenes Sehen. Fensterrahmen erscheinen plötzlich schief. Badezimmerkacheln haben Wellen. Gerade Linien wirken seltsam verbogen.

Ohne Behandlung würden Patienten mit feuchter AMD auf dem betreffenden Auge innerhalb weniger Wochen deutlich schlechter sehen oder erblinden. Helfen konnten bisher nur der Laser, der die neu gebildeten Blutgefäße verödete oder regelmäßig erfolgende operative Eingaben im Rahmen einer mikrochirurgischen Operation, die die Gefäßwucherungen im Auge unterbinden.

Weil aber diese Möglichkeiten oft auch mit Nachteilen verbunden waren, setzen Augenärzte jetzt große Hoffnungen auf die neue Strahlentherapie von innen.

Denn schon eine einzige lokale Bestrahlung der Makula direkt vor Ort im Auge mit dem Vidion-System kann die Wucherung krankhafter Blutgefäße dauerhaft verhindern.

Dass eine Strahlentherapie wirkt, haben auch schon frühere Versuche gezeigt. Allerdings musste damals die Bestrahlung noch von außen durchgeführt werden, ähnlich wie bei der Tumorbestrahlung in der Krebsheilkunde.

„Die Schwierigkeit besteht darin, die Strahlen gezielt an die richtige Stelle zu leiten“, erklärt Dr. Scharrer. „Bei der Makula sind das nur wenige Quadratmillimeter. Das ist von außen ohne Nebenwirkungen und Kollateralschäden nicht zu schaffen.“

Doch dank der neuen Vidion-Technologie ist es jetzt möglich, weil die radioaktive Dosis durch den Strahlenstift erst zwei Millimeter über der Makula freigesetzt wird und auch nur vier Millimeter weit wirkt. Die eigentliche Bestrahlung dauert nur vier Minuten, die komplette Behandlung unter örtlicher Betäubung mit Augentropfen nur 30 bis 40 Minuten. Der Eingriff erfolgt ambulant. Die Strahlenbelastung für den Patienten ist dabei nicht größer als bei einer konventionellen Röntgenaufnahme des Brustkorbs.

Inzwischen sind im Rahmen klinischer Studien fast 500 Patienten, die unter feuchter AMD leiden, mit der lokalen Bestrahlung (Fachausdruck: epimakuläre Brachytherapie) behandelt worden. Die bis heute vorliegenden Nachuntersuchungsdaten (mit bis zu 3 Jahren Nachverfolgung) zeigen eine hohe Sicherheit der Vidion-Technik. Eine große wissenschaftliche Studie (CABERNET) mit 495 eingeschlossenen Patienten befindet sich momentan in der Endphase. Die bisher vorliegenden Studienergebnisse deuten darauf hin, dass ein großer Teil der mit der Bestrahlung behandelten Patienten ihre Sehkraft danach stabilisieren oder sogar verbessern konnte. Sie brauchten auch über einen Zeitraum von 18 Monaten keine Antikörper-Injektionen mehr, was einem enormen Gewinn an Lebensqualität gleichkommt.

Prinzipiell gilt bei der altersbedingten Makuladegeneration: Je eher eine Behandlung erfolgt, desto größer sind die Erfolgsaussichten. Das Tückische bei der Erkrankung: Sie beginnt zunächst auf einem Auge. „Der Sehverlust wird zunächst durch das gesunde zweite Auge ausgeglichen“, betont Dr. Scharrer. „Dies führt dazu, dass Patienten meist erst zum Arzt gehen, wenn auch schon das zweite Auge betroffen ist. Deshalb sollte jeder spätestens ab dem 55. Lebensjahr seine Augen regelmäßig vom Augenarzt überprüfen lassen.“

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