fit und munter - Die große Hürde / Wenn Kinder mit angeborenem Herzfehler erwachsen werden / Aktuelle Studie zeigt: In der medizinischen Versorgung klaffen Lücken (FOTO)

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Die große Hürde / Wenn Kinder mit angeborenem Herzfehler erwachsen werden / Aktuelle Studie zeigt: In der medizinischen Versorgung klaffen Lücken (FOTO)



Was kommt auf Kinder mit angeborenem Herzfehler zu, wenn sie
erwachsen werden? Bis in die siebziger Jahre hat sich diese Frage
selten gestellt. Ein angeborener Herzfehler war eine der häufigsten
Ursachen für den Kindstod. Dank des medizinischen Fortschritts hat
sich das verändert. Weit über neunzig Prozent der Kinder mit einem
angeborenen Herzfehler führen heute nach der Korrektur ein weitgehend
normales Leben. Der Übergang ins Erwachsenenalter, auch Transition
genannt, stellt Ärzte und Patienten jedoch vor neue
Herausforderungen. Eine aktuelle Studie zeigt: In der medizinischen
Versorgung klaffen Lücken. Dabei wären die heute leicht zu schließen.

Dass Lena Spielmann* keine Kinder würde bekommen können, hatte ihr
nie jemand gesagt. Doch dann legte ihr der Gynäkologe einen
Schwangerschaftsabbruch nahe. Sie habe einen angeborenen Herzfehler.
Das Risiko, dass ihr und ihrem Kind etwas passiere, sei hoch. Für die
werdende Mutter brach erst einmal eine Welt zusammen. Das hätte die
heute 32-Jährige damals gerne vorher gewusst. Wenn Kinder mit
angeborenem Herzfehler erwachsen werden, sind die Ärzte oft nicht
ausreichend vorbereitet.

Schwieriger Übergang

Allein in Deutschland leben inzwischen rund 200.000 Erwachsene mit
einem angeborenen Herzfehler, kurz EMAH genannt. Lena Spielmann*ist
eine von ihnen. Ihre Körperschlagader war zu eng als sie zur Welt
kam. Sie wurde sofort operiert. Seither hatte sie nie wieder
Beschwerden aufgrund ihrer Gefäßfehlbildung. Die regelmäßigen
Routineuntersuchungen bei der Kinderkardiologin zeigten keine
Auffälligkeiten. "Als ich siebzehn wurde, hatte ich so eine Phase, da
hatte ich keine Lust mehr, zu meiner Ärztin zu gehen. Ich wollte
nichts mehr mit meinem Herzfehler zu tun haben", gesteht sie.
"Ehrlich gesagt habe ich beim Frauenarzt überhaupt zum ersten Mal
wieder darüber gesprochen." Da ist sie 25. In der Regel müssen
Patienten, sobald sie achtzehn werden, vom Kinderkardiologen zu einem
Kardiologen wechseln. So ist es in Deutschland gesetzlich
vorgeschrieben. Doch tauchen in diesem Alter auch Fragen auf, die für
die noch weitgehend unbekannte Patientengruppe anders beantwortet
werden müssen als für Menschen mit erworbenen
Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Zusammenarbeit mit EMAH-Medizinern ist wichtig

"Menschen mit angeborenem Herzfehler nehmen ihre
Leistungsfähigkeit ganz anders wahr als Menschen, die den Unterschied
zwischen gesundem und krankem Herzen erfahren. Sie bringen auch
körperlich ganz eigene Voraussetzungen mit. Und die Vielfalt
angeborener Herzfehler und möglicher Folgeerkrankungen ist groß",
erläutert Ulrike Bauer, Geschäftsführerin des Kompetenznetzes
Angeborene Herzfehler und des Nationalen Registers für angeborene
Herzfehler. Deshalb sei es etwa bei einer Schwangerschaft wichtig,
dass der Frauenarzt eng mit einer entsprechend qualifizierten
EMAH-Schwerpunktpraxis oder EMAH-Schwerpunktklinik zusammenarbeite.
Bei schweren angeborenen Herzfehlern empfiehlt die Medizinerin die
Überweisung an ein EMAH-Zentrum. "Hier arbeiten
Erwachsenenkardiologen, Kinderkardiologen und Herzchirurgen mit
weiteren spezialisierten Fachkräften Hand in Hand."

Versorgungskette nach kanadischem Vorbild

Um die Lücken in der Versorgung Erwachsener mit angeborenem
Herzfehler zu schließen, hatten die kardiologischen
Fachgesellschaften, darunter die Deutsche Gesellschaft für
Kardiologie - Herz- und Kreislaufforschung (DGK), die Deutsche
Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie (DGPK) und die Deutsche
Gesellschaft für Thorax-,Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG), vor zehn
Jahren Vorschläge für eine Versorgungskette nach kanadischem Vorbild
erarbeitet. Beteiligt waren auch das Kompetenznetz Angeborene
Herzfehler und die Patientenverbände. Kanada verfügte als erstes Land
weltweit über ein funktionierendes Versorgungsnetz mit nationalen und
regionalen EMAH-Zentren. Von diesem Modell ausgehend schlug der
Forschungsverbund aus Ärzten, Wissenschaftlern und Patienten ein
mehrstufiges Versorgungssystem vor und schuf die Voraussetzungen für
eine entsprechende Aus- und Weiterbildung in Deutschland. Heute
listet die DGK auf ihrer Internetseite 16 überregionale entsprechend
zertifizierte EMAH-Zentren, eine EMAH-Schwerpunktklinik und sieben
EMAH-Schwerpunktpraxen sowie rund 260 EMAH zertifizierte Kardiologen
auf. Aber wie gut wissen Patienten und Ärzte darüber Bescheid?

Alarmierender Zustand

Fast ein Drittel der Patienten lässt sich weiterhin vom
Kinderkardiologen behandeln. Nur ein Viertel geht zu einem Arzt mit
EMAH-Zertifikat. Das ergab eine jüngste Studie des Nationalen
Registers für angeborene Herzfehler, zu der die Bundesvereinigung
Jugendliche und Erwachsene mit angeborenem Herzfehler (JEMAH)
gemeinsam mit dem Bundesverband Herzkranke Kinder e.V. (BVHK)
angeregt hatte: "Ein Zustand, der uns alarmieren muss, erst recht bei
Patienten mit einem komplexen Herzfehler", sagt Gerhard-Paul Diller,
EMAH-Kardiologe am EMAH Zentrum des Universitätsklinikums Münster.
"Wir verfügen in Deutschland inzwischen über eine gute
Versorgungspyramide. Die reicht vom Hausarzt bis zum EMAH-Zentrum.
Wir müssen den Patienten die Weiterbehandlung durch eine entsprechend
spezialisierte Einrichtung jedoch auch konsequent anbieten", ist der
Kardiologe überzeugt.

EMAH-Zertifikat schafft Orientierung

Bei Lena Spielmann* hat das schließlich geklappt. Die werdende
Mutter suchte sich Rat bei ihrer Hausärztin. Die empfahl ihr die
weitere Abklärung und Beratung in einem zertifizierten EMAH-Zentrum.
Dort fiel nach eingehender Diagnose der medizinische Rat etwas anders
aus. Ihr Herz sei belastbar, die Schwangerschaft bislang normal
verlaufen. Der Kardiologe sprach die dennoch bestehenden Risiken
offen an und riet zu engmaschigen Untersuchungen. "Danach war ich
fest entschlossen, unser Kind zu bekommen, aber ich habe mir das
nicht leicht gemacht", erzählt Lena Spielmann*. "Ohne den Zuspruch
meines Mannes und unserer Familien hätte ich das nicht geschafft. Wir
waren uns einig, dass wir den Weg gehen wollen, selbst für den Fall,
dass am Ende doch etwas schiefgeht." Es ist gut gegangen. Und nicht
bloß einmal. Um das im Garten aufgestellte Planschbecken nebst
Kinderzelt herrscht ausgelassener Hochbetrieb, mittendrin die beiden
Spielmann*-Töchter.

*Name von der Redaktion geändert.

Leserservice:

Eine EMAH zertifizierte Schwerpunkteinrichtung in ihrer Nähe
finden Sie auf den Seiten der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie
- Herz- und Kreislaufforschung (DGK) unter
https://emah.dgk.org/zertifizierte-emah-zentren/ oder auf den Seiten
der Kinderherzstiftung unter
http://www.kinderherzstiftung.de/emah.php Sie oder Ihr Kind haben
einen angeborenen Herzfehler? Mit Ihrer Anmeldung im Nationalen
Register für angeborene Herzfehler unterstützen Sie den medizinischen
Fortschritt. Hier erhalten Sie auch wichtige Informationen zu
aktuellen Forschungsprojekten und Unterstützungsangeboten. Die
Mitgliedschaft ist kostenlos und jederzeit widerrufbar:
http://www.herzregister.de/mitglieder/mitglied-werden/

Das Nationale Register bei Facebook: http://bit.ly/2dhaTeP

Website: http://www.herzregister.de/

Für Ihre Recherche:

Die Studie zur Transition von Patienten mit angeborenen
Herzfehlern wurde unter dem Titel "Transition in Patients with
Congenital Heart Disease in Germany: Results of a Nationwide Patient
Survey" am 19. Mai 2017 in der "frontiers in Pediatrics"
veröffentlicht:
http://journal.frontiersin.org/article/10.3389/fped.2017.00115/full



Pressekontakt:
Nationales Register für angeborene Herzfehler
Karin Lange
Augustenburger Platz 1
13353 Berlin
Tel.: +49 (0) 30 4593 7277
Mobil: +49 (0) 175 2604260
Mail: presse@herzregister.de

Original-Content von: Nationales Register f?r angeborene Herzfehler e.V., übermittelt durch news aktuell
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