Die Zahl der Pflegebedürftigen in Deutschland steigt weiter. Etwa
drei Viertel aller auf Pflege Angewiesenen werden zu Hause versorgt,
die meisten davon allein von Angehörigen. Was, wenn jemand aus der
eigenen Familie plötzlich auf Hilfe angewiesen ist? Darüber spricht
Michael Steinbrecher mit seinen Gästen. Zu sehen im "Nachtcafé:
Pflege am Limit - zwischen Hingabe und Pflichtgefühl" am Freitag, 21.
April, 22 Uhr, im SWR Fernsehen.
Pflegebedürftig kann jeder werden. Die eigenen Eltern, die
plötzlich nicht mehr für sich selbst sorgen können. Der Partner, der
aufgrund eines Schlaganfalls ans Bett gefesselt ist oder das eigene
Kind, das mit einer Behinderung zur Welt kommt. In solchen Fällen
steht man unweigerlich vor der Frage: Kann ich die Pflege leisten und
will ich das überhaupt? Hingebungsvolle Pflege zuhause - ist das
überhaupt möglich? Für viele Angehörige wird diese Entscheidung zur
Gewissensfrage: Opfere ich mich für einen lieben Menschen auf und
stelle mein eigenes Leben und meine Bedürfnisse hintenan oder
entscheide ich mich schweren Herzens dazu, die Pflege abzugeben? Und
ist mein Angehöriger in einem Pflegeheim auch wirklich gut
aufgehoben? Die häusliche Pflege wird schnell zur Gratwanderung an
der persönlichen Belastungsgrenze: finanzielle Probleme, psychische
und physische Erschöpfung, keine Zeit mehr für den Freundeskreis. Wie
viel können wir uns also zumuten?
Die Gäste im "Nachtcafé":
Dagmar Berghoff kann sich nicht vorstellen, in einem Pflegeheim zu
leben Dagmar Berghoff plant nicht gerne im Voraus und liebt ihre
Unabhängigkeit. Deshalb kann es sich die Ex-Miss Tagesschau" nicht
vorstellen, einmal in einem Pflegeheim zu leben. Ihren Mann, der vor
16 Jahren verstorben ist, hätte sie aber gepflegt, wäre das nötig
geworden: "Das hat etwas mit Liebe zu tun. Jemand anderen, zu dem ich
kein Verhältnis habe, den könnte ich nicht pflegen."
Bernd Mann nahm einen schwerbehinderten Jugendlichen auf und
pflegt ihn seit 20 Jahren Vor 20 Jahren lernte Bernd Mann bei seinem
Zivildienst den schwer körperlich behinderten Christian Kenk kennen
und freundete sich mit ihm an. Christian lebte damals perspektivlos
in einem Internat für pflegebedürftige Jugendliche. Bernd Mann ließ
das Schicksal des 15-Jährigen nicht los und fragte sich: "Nehme ich
ihn zu mir oder nicht? Und kann ich damit leben, wenn ich es nicht
tue?" - Er nahm ihn bei sich zuhause auf und pflegt Christian seither
aufopferungsvoll.
Prof. Dr. Hartmut Remmers erforscht die Belastungen in der
häuslichen Pflege Prof. Dr. Hartmut Remmers ist Leiter des
Fachbereichs Pflegewissenschaft an der Universität Osnabrück. Der
Soziologe betrachtet die Bedürfnisse und Belastungen von
Pflegebedürftigen und ihren pflegenden Angehörigen. "Die Belastungen
in der häuslichen Pflege gehen bis hin zu manifesten Depressionen
aufgrund dieses enormen Verpflichtungsgefühls, etwas leisten zu
müssen, was man möglicherweise gar nicht mehr wirklich leisten kann."
Brigitte Luft pflegte ihren Ehemann viele Jahre selbst Nach einem
Herzstillstand war der Ehemann von Brigitte Luft von heute auf morgen
auf eine 24-Stunden-Betreuung angewiesen. Ohne eine Sekunde des
Zögerns übernahm sie seine Pflege hingebungsvoll zu Hause. Nach neun
Jahren Doppelbelastung zwischen Pflege und Beruf brach die Lehrerin
dann selbst zusammen. Der einzige Ausweg: Ein Pflegeheim. "Es tut mir
unendlich weh, ihn da so zu sehen. Aber ich war körperlich und
seelisch völlig ausgelaugt."
Armin Rieger sieht große Missstände in der professionellen Pflege
Armin Rieger ist seit fast 20 Jahren Leiter eines Pflegeheims und
prangert die Missstände in der eigenen Branche an. Das Personal, so
sagt er, betreibe durch Überarbeitung schlechte Pflege: "Die
Pflegenden sind Opfer und Täter zugleich." Damit stützen sie ein
System, das Armin Rieger für kriminell hält und das seiner Meinung
nach perfiderweise umso mehr Geld umsetzt, je schlechter die Pflege
ist.
Margarete Werle entschied sich freiwillig für einen Umzug ins
Pflegeheim Margarete Werle entschied sich vor einem Jahr ganz
freiwillig für einen Umzug ins Pflegeheim. Die 93-Jährige lebte bis
ins hohe Alter fit und selbstständig. Als sie bemerkte, dass sie ein
biss-chen Unterstützung braucht, war für sie sofort klar: Ihren
Kindern möchte sie nicht zur Last fallen. So löste sie ihren Haushalt
auf und zog ins Seniorenheim. Eine Entscheidung, die sie nicht
bereut: "Es gibt für mich keinerlei Nachteile, gar keine. Ich bin
restlos zufrieden."
Christel Kreß pflegt ihre schwerstbehinderte Tochter Für Christel
Kreß stellte sich nie die Frage, Emma in ein Heim zu geben. Seit 13
Jahren pflegt sie ihre schwerstbehinderte Tochter, die durch eine
Gehirnfehlbildung 24 Stunden am Tag Hilfe benötigt. Die zweifache
Mutter ist alleinerziehend und musste ihren Beruf aufgeben. Solange
sie kann, will Christel Kreß ihre Tochter trotzdem weiter zuhause
versorgen: "Für mich ist klar, es ist mein Kind und ich habe dafür
Verantwortung zu übernehmen."
"Nachtcafé: Pflege am Limit - zwischen Hingabe und Pflichtgefühl"
am Freitag, 21. April 2017, 22 Uhr im SWR Fernsehen
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