fit und munter - Karel Gott - Leben

fit und munter

Karel Gott - Leben

Das neue Album "Leben" von Karel Gott - im Test von Holger Stürenburg.

Als die sprichwörtliche "Goldene Stimme aus Prag", KAREL GOTT, Ende vergangenen Jahres das kommerziell zwar sehr reputierliche (Rang 5 in den "Media Control"-Listen), geschmacklich aber (nicht nur) bei seinen Alt-Fans alles andere als unumstrittene Duett mit dem Berliner Aggro-Rapper "Bushido", "Für immer jung", aufnahm, bekam der Weltstar mit der samtenen Stimme vermutlich Appetit auf weitere Zwiegesänge mit Kollegen aus diversen Stilrichtungen.
So gönnte er sich, sozusagen als verspätetes Geschenk zu seinem 70. Geburtstag am 14. Juli 2009, ein gesamtes Album, das überwiegend Duette zwischen ihm und verschiedenen anderen Künstlern beinhaltet, wie sie unterschiedlicher nicht sein können.
"Leben" (KOCH/Universal) kam dieser Tage auf den Markt und versammelt insgesamt 15 Titel, von denen der ewigjunge Jubilar ein Dutzend, gemeinsam mit bekannten Vertretern der U-, wie der E-Musik kongenial und respektvoll einsang.

Unter der Regie des prominenten nordrhein-westfälischen Produzenten, Arrangeurs und Keyboarders Dieter Falk, entstand somit eine wahrhaftig gelungene Songkollektion, modern inszeniert, teils sehr experimentell umgesetzt, die mit traditionellem Schlager letztlich nichts mehr gemein hat, sondern Karel Gott als Entertainer von Weltklasse präsentiert, der sich in keine Schublade sperren läßt, mit allen nur erdenklichen Genres zu spielen vermag, der mit Schwung und Elan bei der Sache ist, aber auch vor einer gehörigen Portion Selbstironie nicht zurückschreckt.

Nach dem spritzigen, hoffnungsvollen, locker vor sich hin swingenden Eröffner "Leben", aus der Feder von Produzent Falk und der Hamburger Texterlegende Dr. Michael Kunze, darf zunächst Hartmut Engler, der Frontmann der schwäbischen Deutschrockband "PUR", gemeinsam mit Karel ans Mikrophon treten: Die beiden interpretieren recht chanson-angehaucht den 1996er-Singletitel "Ein graues Haar", der sich augenzwinkernd mit dem Älterwerden auseinandersetzt und seinerzeit im Original auf dem "PUR"-Album "Abenteuerland" zu finden war.

1999 hatte Karel Gott bereits eine deutschsprachige (Solo)-Fassung des grandiosen Synthipop-Epos "Forever Young" der 80er-Jahre-New-Romantic-Legende "Alphaville" unter dem Titel "Für immer jung" aufgenommen, auf die, wie eingangs erwähnt, im Winter 2008/09 eine scheußliche Neuaufnahme, zusammen mit "Bushido", folgte. "Alphaville"-Frontmann Marian Gold gratulierte dem Geburtstagskind, indem er mit diesem seine Komposition "Weil die Hoffnung nie vergeht" für hier analysierte CD intonierte; eine prickelnde Ballade voller Sehnsucht und purer Romantik, die im Grunde genommen (und auch hörbar) dort anfängt, wo vor genau 25 Jahren "Forever Young" - immerhin eine DER Hymnen auf das Lebensgefühl in den coolen 80ern schlechthin - aufhörte.

Der gebürtig aus Argentinien stammende, seit einigen Jahren in Österreich ansässige Frauenschwarm Semino Rossi unterstützt seinen tschechischen Labelkollegen bei einer grazilen, deutsch/spanischen Neuaufnahme des mexikanischen Traditionals "La Paloma", das einst hierzulande in erster Linie von Freddy Quinn bekannt gemacht wurde. In einem ganz anderen musikalischen Genre ist der nächste Duettpartner von Karel Gott zu Hause: Norbert Rier, seines Zeichens Sänger der Volkstümlichen Combo "Kastelruther Spatzen", ist bei der feudalen Albert-Hammond-Komposition "Das wirklich wahre Leben" mit von der Partie, einer mehr als nur edlen Ballade, die in der Urfassung unter dem Titel "To all the Girls I"ve loved before" im Sommer 1984 Julio Iglesias und Willie Nelson einen globalen Hit bescherte.
Ebenfalls aus dem Fundus des großen Londoner Komponisten Hammond entstammt der knisternde Schleicher "Ich bin da, um Dich zu lieben", der sich auf Englisch "When you tell me, that you love me" nennt und 1991 einen großen Erfolg für Soullady Diana Ross bedeutete. Die hier berücksichtigte deutsche Version, als Duett zwischen Karel und der immerjungen, israelischen Chanteuse Daliah Lavi, stammt allerdings bereits aus dem Jahr 1994 und stellte seinerzeit einen formidablen Radiohit für die beiden Megastars von Weltklasse dar.

In einem witzigen Musical-/Show-/Kabarett-, gar Rummelplatz-Ambiente ertönt Karels 1970er-Top-10-Hit "Einmal um die ganze Welt", bei dessen aktueller Auslegung ihm stimmlich niemand geringeres unter die Arme greift, als der unschlagbare Panikrocker Udo Lindenberg - einer der gewagtesten, aber gerade dadurch gleichermaßen interessantesten Beiträge auf "Leben". Das erneut von Dieter Falk ausbaldowerte Neuarrangement wirkt einerseits äußerst sympathisch und liebenswert, andererseits sehr ungewöhnlich, neuartig, entlockt aber auf diese Art und Weise der von jeher tollen, eingängigen Komposition zig unerwartete, kaum vorstellbare Facetten. Absolute Spitzenklasse!

In klassische Gefilde geht"s mittels einer schier faszinierenden Hommage an Bedrich" Smetanas unverwüstliche "Moldau" - hier mit Support des norwegischen Wirbelwinds Wencke Myhre -, sowie im Medley aus "The Secound Waltz" und "Sonntags im Park", zweier Werke des 1975 verstorbenen, sowjetrussischen Komponisten und Pianisten Dmitri Schostakowitsch; in diesem Falle trägt Karel Gott die Gesangsspur zu einer ursprünglich instrumentalen Orchesterversion des niederländischen Violinisten Andre" Rieu bei.

Im Frühjahr 1986, zehntes Schuljahr, "genoß" unsere Klasse eine geradezu schreckliche Lateinlehrerin, die uns mit purer Langeweile langweilte, anstatt uns ordentlich die lateinische Sprache beizubringen. Was blieb uns 15/16jährigen Teenagern also anderes übrig, als Frau Dr. S. mittels stimmbrüchiger Gesangseinlagen zur Weißglut zu treiben. Mein Banknachbar Guido F., der heute als Journalist (sic!) in der Tschechei lebt, und ich hatten uns daher eines ganz besonderen Titels angenommen, um Frau Dr. S. gehörig zu "mobben".
Karel Gott hatte damals eine wundervolle Single am Start, die sich da nannte "Fang das Licht". Er hatte diese seinerzeit mit dem tschechischen Kinderstar Darinka aufgenommen und damit im Februar vor 23 Jahren lustig und locker einen großartigen 15. Platz in den offiziellen Singlehitparaden erzielen können. Dieses Lied lockte Guido und mich enorm, unsere unansehnliche Lateinlehrerin aus der Facon zu bringen... Heutzutage erklingt der unverbrüchliche Evergreen in einer genialischen gesanglichen Paarung, bestehend aus Karel und Gerry Friedle alias "D.J. Ötzi". Einwenig discothekentauglich aufgepeppt und rhythmisiert, transferieren die beiden Schlitzohren diesen Klassiker auf hervorragende Art und Weise ins neue Jahrtausend.

Bei der klassisch angehauchten 1941er-Ballade "Amapola" (im Original ein US-Nummer-Eins-Hit für Jimmy Dorsey) wird Karel Gott von "DER Stimme" Nana Mouskouri begeleitet; die Interpretation der - im positivsten Sinne des Wortes - Ultraschmachtballade "Der Himmel wohnt in Dir und mir" teilt sich Karel mit der in Frankfurt/Main lebenden, US-amerikanischen Sopranistin Deborah Sasson.

Jüngere Freunde guter, deutscher Popmusik dürften sich besonders von "Bettler und König" angesprochen fühlen, einer Hip-Hop-Ballade des "Mannheimer Sohnes" Xavier Naidoo, die sicher sehr, ggf. sogar zu modern aus den Boxen dringt, aber uns unbelehrbare Alt-80er, die wir Karel vor 25, 30 Jahren etwa dank "Eine Liebe ist viele Tränen wert" (1980), "Und die Sonne wird wieder scheinen" (1981), "Ich bin der Adler - Du der Wind" (1982 - Liebe Katalog-Kollegen bei KOCH: Wo bleibt eine Wiederveröffentlichung dieser Top-Nummer auf CD???) oder eben "Fang das Licht" (s.o.) kennen und lieben gelernt hatten, keinesfalls vor den Kopf stößt.

Das von Karel solistisch aufgenommene, balladeske, leicht autobiographische Schmankerl "Irgendwann" leitet schlußendlich über in das ?Grande Finale" von "Leben". Hierfür hat Karel Gott Udo Jürgens" 1966er-Grand-Prix-Hit "Merci Cherie" gecovert - und dankt im Rahmen dieser sehr zurückhaltend, auf reiner Pianobasis arrangierten Ballade mittels netter Worte allen Duettpartnern, die ihm für "Leben" die Ehre erwiesen hatten, ihm gesanglichen Support zu gewähren.

"Leben" ist fraglos ein famoses, unübertreffliches (und sicher auch nicht mehr wiederholbares) Album geworden. Bestimmt nichts für die schnelllebigen Hitparaden, und garantiert nicht zum nur Nebenbei-Hören geeignet. Alle beteiligten Künstler haben mit viel Charme und Liebe einem der ganz, ganz Großen des (nicht nur) einheimischen Musiklebens gehuldigt. "Leben" ist eine CD, die ALLE Generationen von Musikfreunden anspricht, ob sie nun eher Gediegenes, Ruhiges oder eher Poppiges, Rockiges präferieren.
Karel Gott hat sich mit hier analysierter Silberscheibe wieder einmal selbst übertroffen. Er mag, dem Personalausweis nach, 70 Jahre alt sein. Davon hört und spürt man bei "Leben" aber auch rein gar nichts. "Leben" ist sicherlich das vielseitigste und vielfältigste, experimentierfreudigste Album, welches das Geburtstagskind jemals aufgenommen hat. Es ist ohne jegliche Zweifel ein Meilenstein in der künstlerischen Entwicklung des Karel Gott, der uns - so ist zu hoffen - möglichst noch viele, viele Jahre als Spender toller Melodien erhalten bleiben möge!
Gesamtnote: Bestwertung!
Quelle: Holger Stürenburg, 20./21. Oktober 2009
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