„Das Wissen von dem unendlichen Ausmaß der Faszien ist unerlässlich, und es ist eine der größten Hilfen desjenigen, der die Ursachen einer Krankheit sucht.“(1) Mit diesen Worten beschrieb der Arzt und Begründer der Ostheopathie Andrew Taylor Still bereits vor über 100 Jahren ein Phänomen, dem sich heute überall auf der Welt Wissenschaftler unterschiedlichster Fachrichtungen widmen: dem System der Faszien. Und auch in der therapeutischen Praxis finden die Gewebefasern zunehmend Beachtung: „Weltweit existieren unterschiedlichste manuelle Therapieformen mit dem Zielort: Faszien“ (2). Eine von ihnen ist die Original Bowen Therapie, in Deutschland kurz Bowtech genannt.
Was aber genau sind eigentlich Faszien? Der britische Bowen-Therapeut John Wilks erklärt es so: „Faszien bestehen hauptsächlich aus Kollagenfasern. Diese Fasern sind kleine, hohle Kanäle, die mit einer sehr feinen Flüssigkeit gefüllt sind, die dem Liquor cerebrospinalis, der Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit (…) ähnelt. Darüber hinaus reagieren Faszien auch wie ein einziges kohärentes System – so ähnlich wie ein Flüssigkristallbildschirm bei Fernsehern.“ (1)
Diesen Zusammenhang von Faszien als System beschreiben auch die Autorinnen des Buches „Faszien-Training“: „Wenn man ‚Faszien‘ im Plural verwendet, dann ist das keine korrekte Bezeichnung. Genau genommen handelt es sich um eine Faszie in Form eines faszialen Netzwerkes, das unseren ganzen Körper durchzieht und umgibt. Faszien werden alle Strukturen genannt, die Kollagen (ein „Gerüst“-Protein) enthalten. Dazu gehören auch das sogenannte Bindegewebe, Bänder und Sehnen. Faszien modellieren sich immer wieder neu.“ (3)
Von einem System spricht auch die Heilpraktikerin und Bowtech-Anwenderin Ute Grams (4): „Das Fasziensystem ist das größte System des Körpers, die Faszien geben Struktur. Wenn sie verklebt sind, ist die Struktur starr, es ist kaum ein Energiefluss möglich, mit der Folge, dass die gestauten Energien zu Blockaden führen, die sich in Form von Schmerzen oder Energielosigkeit, Erschöpfung, Infektanfälligkeit u.v.m. äußern können.“ Wie erreicht man aber dieses ‚Freisetzen blockierter Energie‘ (1), wie es der Australier Tom Bowen formulierte, der die nach ihm benannte Bowen Technik entwickelte?
Der Bowtech-Anwender arbeitet mit sehr sanften Grifffolgen über Muskeln, Bänder, Sehnen, Gelenke, Nerven und Faszien. Ute Grams beschreibt es so: „Dadurch wird der Körper in die Lage versetzt, den Selbstheilungsprozess einzuleiten. Durch die Behandlung mit BOWTECH wird das Zellgedächtnis aktiviert. Sämtliche Traumata, die auf körperlicher und seelischer Ebene jemals entstanden sind, sind in den Kollagenzellen, den Zellen der Faszien gespeichert.“ (4)
Ein Bowtech-Griff besteht aus drei Sequenzen: Mit dem »slack«, einer sehr sanften Hautverschiebung, werden zunächst – nahezu ohne Druck – die Verklebung und Fehlbelastung der äußersten Faszienschicht gelöst. Mit dem »challenge«, der circa drei Sekunden gehalten wird, wird der Muskel sanft gedehnt. Durch die Dehnung der Faszie wird eine elektrische Ladung in den Kollagenfasern produziert, die den Körper veranlasst, den Heilungsprozess einzuleiten. Mit dem »move«, einer rollenden Bewegung über die Struktur (z.B. den Muskel) werden schließlich tiefere Faszienschichten erreicht. (4)
Nicht nur diese spezielle Abfolge von Griffen unterscheidet die Bowen Technik von anderen manuellen Therapien, sondern es sind vor allem die Pausen zwischen den Grifffolgen: In diesen minutenlangen Pausen können die Faszien sich neu ausrichten und die Informationen im Körper weiterleiten – und der Klient entspannt sich: „Das Besondere dieser Methode ist, dass nichts ‚aufgezwungen‘ wird, sondern der Körper wird sanft stimuliert, die Selbstheilungsprozesse zu aktivieren“, erklärt Ute Grams (4).
Die Wirksamkeit des Prinzips „weniger ist oft mehr“ bestätigt auch Geo-Redakteurin Hania Luczak (2) in ihrer Faszien-Reportage: „Nicht nur starke Reize, sondern auch sanfte Techniken, wie leichter Zug und Druck, sollen dazu beitragen, das dreidimensionale Organsystem der Faszien zu entspannen. Die Forschung liefert heute ein Erklärungsmodell für diese Methoden.“
Auf entsprechende Studien (5) verweist auch John Wilks (1): „Die Ausübung eines sehr leichten Drucks erzeugt in Kollagenfasern einen Impuls in Form einer geringen elektrischen Ladung, die starke heilende Eigenschaften besitzt, wie amerikanische Wissenschaftler nachgewiesen haben.“
Literatur/Quellen:
1 John Wilks: Die Bowen Technik – the inside story, ISBN 978-0-9557063-2-5
2 Hania Luczak: Der innere Halt, in Geo 02/2015, S. 96-119
3 Heike Oellerich, Miriam Wessels: Faszien-Training, BLV Buchverlag München 2015
4 Ute Grams: Bowtech – die Originalmethode nach Tom Bowen, in: Der Heilpraktiker & Volksheilkunde 12/2010
5 Dr. Jo Anne Whitaker aus den USA etwa vertritt das Resonanzmodell: sie vermutet, dass die Behandlung mit BOWTECH harmonische Schwingungen erzeugt, die das autonome Nervensystem ausbalancieren. Studie: A gentle hands on healing method that affects the Autonomic Nervous System as measured by heart variability and clinical assessment. Von Jo Ann Whithaker, MD., Patriciaq P. Gilliam, M.Ed.M.S.N., Douglas.Seba, Ph.D.; diese und andere Studien zu BOWTECH sind zu finden im Internet unter: http://www.bowtech.de/die-original-bowen-technik/forschung.html